Kategorie Science-Fiction

Aus dem Protokoll der Generalsynode IV des Wissenschaftlichen Rates für die Suche nach separat-leitendem Leben (WRSsL)

Die Einleitung wurde gesprochen von Herrn Prodekan Professor Doktor Quantion, der die versammelten Teilnehmer aus aller Herren Bindungen aufs Herzlichste begrüßte. Nach den Dankesworten für das zahlreiche Erscheinen, stellte Professor Quantion ein ungebrochenes Interesse am möglichen Vorhandensein von Formen des Lebens und dort insbesondere des intelligenzbegabten Lebens oder vergleichbarer Erscheinungen auf komplett separaten Leiterbahnen fest. Er freute sich in diesem Sinne auf eine reichhaltige und sinnstiftende Diskussion.

Dabei wünschte sich Professor Quantion, dass eine Rückkehr zu den Theorien des acht- und neunhundertsten Zyklus stattfände, nachdem sich die eher avantgardistischen, gewagten Theorien der darauf folgenden Zyklen als eine Sackgasse voll unverhältnismäßiger und haltloser Spekulation erwiesen hätten, wovon bekanntermaßen sich nichts im Lichte einer gründlichen wissenschaftlichen Auseinandersetzung als aussichtsreich erwiesen noch sich irgendetwas experimentell oder durch Beobachtung bestätigt gefunden hätte. Dies hätte, so der Professor, zu einem nicht zu leugnenden und verständlichen Maß an Frustration seitens der parlamentarischen Gremien in Bezug auf die Vergabe von Fördermitteln geführt und auch durch eine Verzerrung der öffentlichen Wahrnehmung ins Unglaubwürdige und Phantastische dem eigentlichen Ziel ernst gemeinter und reifer Bemühungen mehr geschadet denn genutzt.

Jedoch, so stellte Professor Quantion fest, gäbe es auch Anlass zum Optimismus angesichts einiger viel versprechender Vorschläge, die jüngst, in den vergangenen vier bis sechs Zyklen seiner Kommission vorgelegt worden seien. Eine Auseinandersetzung mit diesen Arbeiten, die als konsequente Weiterentwicklungen der anerkannten physikalisch-technischen Werke vieler Generationen erfahrener und genialer Wissenschaft zu verstehen seien, sei unumgänglich.

Jedoch, so führte der Professor weiter aus, sei es unumgänglich, zuerst einmal Abkehr von den gewagten und haltlosen Thesen zu fordern, wie sie gerade in den vergangenen Zyklen von den exochemikalischen Disziplinen verstärkt vorgebracht worden waren. Beispielhaft nannte er hier bekannten Thesen eines gewissen Doktor Legier, der im Rahmen seiner Dozententätigkeit an der Außenbezirks-Universität von Stahldorn wiederholt nicht bestätigbare Theorien wie die der „Wahlfreiheit der Evolution“ vorgebracht hatte. In seinen Ausführungen hätte Legier unter anderem behauptet, dass die Einschätzung, dass sich Metalle besonders gut für eine Evolution des Lebens eignen, sozusagen „metallozentrisch“ sei, und dies als ein „stillschweigend akzeptiertes Dogma der Extrametallurgie“ angeprangert.

Aber, so Professor Quantion, wie sähe denn des Herrn Doktor Legiers Gegenthese aus? Bekanntermaßen sind die Nichtmetalle unter den Elementen die Selteneren, sie machen nur circa 20% des Periodensystems aus. Größtenteils handelt es sich bei ihnen um flüchtige Spurenelemente ohne freie Elektronen, die bevorzugt statische Kristallbindungen eingehen und sich sowieso nur bei tiefer Kälte zu einigermaßen stabilen Strukturen zusammen schließen. Sollte sich in solchen Elementen tatsächlich so etwas wie ein selbst erhaltender evolutionärer Prozess abspielen, dann wäre dieser zuerst einmal, dies ist inzwischen durch Berechnungen der Fakultät für Realsimulationen nachgewiesen worden, um mindestens vierzig Größenordnungen langsamer als der einzige bekannte, der metallurgische Prozess. Die Zeit, die nötig wäre, bis ein nennenswerter Fortschritt eines solchen Prozesses überhaupt statt fände, überstiege allein bereits das akzeptierte Alter des bekannten Universums, das circa 15 bis 20 Milliarden Zyklen beträgt um 10 Größenordnungen! Es sei also völlig sinnlos, in dieser Richtung irgendwelche Ergebnisse zu erwarten. Die von Legier und anderen vorgebrachte Hypothese, es könne ein noch wesentlich älteres „elementares“ Universum geben, die damit begründet wird, dass es theoretisch möglich ist, Metalle aus leichteren Elementen durch Kernfusion zu synthetisieren, kann gemäß Professor Quantion ebenfalls leicht widerlegt werden. Hierfür müsste ja eine Kernfusion in außerordentlichem Maßstab stattgefunden haben, und kein Phänomen im beobachtbaren Universum rechtfertige die Annahme, dass es solch einen „riesigen Fusionsreaktor“ geben soll.Einer der Grundsätze der Thermodnamik ist es, dass Energie nicht „aus dem Nichts“ entsteht, und die Energie, die nötig ist, um Metalle in dem Ausmaß zu synthetisieren, wie sie im beobachtbaren Universum vorkommen, kann auf keinen Fall durch virtuelle, zufällige Prozesse „aus Nichts“ entstehen. Legier und seine Kollegen mutmaßten also in Wirklichkeit über einen „intelligenten Schöpfer“, bewegten sich somit nicht auf wissenschaftlich nachprüfbaren Leiterbahnen sondern machten sich die leichtgläubigkeit einer Gesellschaft zu nutze, die sich vom mit dem wissenschaftlichen Deckmäntelchen verbrämten Phantastischen, Magischen, Belletristischen nur allzu leicht in den Bann schlagen ließe. Tatsächlich folge zwingend aus den anerkannten Grundprinzipien der Physik, dass Synthese durch Kernfusion ein exotischer, der universalen Tendenz gegenläufiger Prozess sei. Professor Qunation sah in diesem Zusammenhang davon ab, auf die vielfachen experimentellen und theoretischen Belege für die heute anerkannte These, dass die wenigen Nichtmetalle ausschließlich aus Zerfällungsprozessen der radioaktiven, instabilen Metalle hervorgegangen sind, im Einzelnen einzugehen, sondern beließ es bei einem Verweis auf die einschlägige Fachliteratur, die einzusehen zumindest jedem Grundstudenten der Physik jederzeit offen stünde.

Da also der Annahme „nicht-metallurgischer Evolution“ so viele Fakten entgegen stünden, und es selbst wenn man diese theoretisch akzeptierte – wofür es allein schon einer überhaupt nicht fundierten alternativen Kosmogenie und der Abkehr von erwiesenen Grundprinzipien der Phyisk bedürfe – in einer solchen „nicht-metallurgischer Evolution“ keine Lebensformen mit der für den Intellekt notwendigen Komplexität binnen einer mehrmilliardenfachen Zeitspanne der Lebensdauer des Universums zu rechnen sei, könne man sich von all diesen Theoriegebäuden getrost verabschieden und sich wesentlich vielversprechenderen Ansätzen zuwenden.