Auf den Spuren römischer Infrastruktur

Ein Besuch auf einem römischen Bauernhof

Die Tage habe ich die „Villa Rustica“, also den römischen Gutshof im Wiesenbacher Forst „Herrenwald“ besucht. Es handelte sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb römischer Zeit mit Ackerbau und Viehzucht aus der Zeit von 130 bis nicht später als 260 n. Chr.

Die Villa ist auf einer Anhöhe auf einem ebenen Grundstück gelegen, mehrere Gebäude waren dort von einer steinernen „Einfriedungs-Mauer“ umgeben. Von der Mauer sind nur noch Teile des (etwa 80 Zentimeter durchmessenden) Fundaments erhalten. Von den Gebäuden wurden bislang das Hauptgebäude, ein Brennofen sowie einige kleinere Beigebäude identifiziert. Das Hauptgebäude ist vielleicht 10 auf 15 Meter groß (es wurde mindestens einmal erweitert). Dank Fußbodenheizung war es auch in kalten Wintern vermutlich recht heimelig. 🙂

Die Mauer fand ich trotz ihres nahezu totalen Verfalls sehr beeindruckend: Einige Meter wurden rekonstruiert, sie zeigen, dass die Mauer offenbar übermannshoch gewesen und äussert aufwändig, stabil und präzise (rechtwinklig, glatt und gerade) konstruiert war. Die Mauer umspannte ein Areal von etwa 80 mal 110 Metern – etwa ein Hektar. Dies kennzeichnet einen eher kleinen Betrieb, das Hofgut von Walldorf zum Beipiel umfriedete ein Areal von etwa 4 Hektar.

Ein Brunnen unterhalb einer Quelle befindet sich ca. 30 Meter außerhalb der eingefriedeten Anlage.

Entlang der „Römerstraße“ zum „Römerbrunnen“

In der Nähe der Villa verlief eine von den Römern erbaute Straße, die von Ladenburg in der Rheinebene durch unsere Region führte.

Die Römerstraße führt auch durch den Wald nahe Spechbach, wo ich wohne. In seiner Nähe – aber wo genau ist noch nicht bekannt – gab es in jener Zeit eine keltische Siedlung namens „Vicus Nediensis“. Auf dem Hügel im Nordosten gab es einen Brunnen, der heute der „Römerbrunnen“ genannt wird. Eine dort aufgestellte Rekonstruktion weist eine überdachte Steinkonstruktion von zwei mal zwei Metern auf. Direkt vor dem Platz stehen vier dicke Standstein-Quader in künstlicher Anordnung (exakt im Quadrat), ob diese irgendetwas mit den Römern zu tun haben, weiss ich aber nicht.

Ich habe versucht, dem historischen Verlauf der Straße vom Brunnen bis zur Villa anhand der verfügbaren Wegweise und Beschilderungen zu folgen, was nicht immer möglich ist, da der mutmaßliche Verlauf u.a. über das heutige Gelände des Golfplatzes von Lobach führt, der nicht betreten werden darf.

An der Wahl der Übergänge von Lobach und Biddersbach scheint mir, dass Täler und Gewässer möglichst vermieden werden sollten bzw. nur an günstigen Übergängen möglichst direkt gequert wurden. Das macht Sinn, denn damals war das alles vermutlich viel sumpfiger und es gab ständig Überschwemmungen. Damit die Straße nicht ständig kaputt geht, muss man sie also um solche Areale herumführen.

Ich habe mir bei Google mal eine Geländekarte ausgeborgt, und anhand eigener Erfahrungen (abschreiten und anschauen), Luftbilder, Beschilderungen (z.T. widersprüchlich) und Plausibilität (Vermeidung sumpfiger Tieflagen, Vermeidung von starkem Gefälle) einen möglichen Verlauf der Römerstraße eingezeichnet (gelb), sowie den Weg, den ich gegangen bin (blau):

römerstraße-3

Spekulationen

Der von mir gegangene Weg liegt bei vielleicht 13 Kilometern, die Römerstraße sollte bei etwa 10 gelegen haben, und da sie sehr gerade und vom Verlauf her klar erkennbar war (ich hingegen muss mich bei dem Gewirr an Wanderwegen und dichter Bewaldung ja erstmal zurecht finden), denke ich dass man bei gutem Training die Strecke zu Fuß auch mit Gepäck in 2 Stunden schaffen konnte, wenn nichts dazwischen kam; Störfaktoren sind natürlich viele denkbar: widrige Witterung bis hin zur weitläufigen Überschwemmung von Gewässerübergängen, Bedrohungen durch Feinde oder Raubtiere, …

Ein Warentransport zum Beispiel im Rahmen einer Versorgungslieferung an den Limes oder einer Steuereintreibung dürfte länger gedauert haben. Der „Zehnte“ (vermuteter Namensgeber der „Agri Decumati“) hätte meiner Einschätzung binnen Tagesfrist in das Neckartal abtransportiert werden können.

Über den weiteren Verlauf der Römerstraße Richtung Limes gibt es zwei Darstellungen:

  1. Die Straße führte nach Südwesten, Bad Wimpfen (älterer Limes, ca. 90 – 160 n.Chr.), überquerte dort den Neckar (nachweislich von den Römern 85 n. Chr. erbaute Neckarbrücke), von dort aus trifft sie auf die „Hohe Straße“, eine alte Salzhandelsroute gen Osten, die die Römer auf ca. 25 Kilometer bis zum Kastell Jagsthausen (neuerer Limes) zur Militärstraße ausgebaut haben.
  2. Die Straße führte nach Osten in das heutige Obrigheim, dort über eine Neckar-Furt zum Kastell Neckarburken (älterer Limes) sowie weiter nach Osten zum Kastell Osterburken.
"Agri Decumates Karte" (Quelle: Wikimedia 1. Mai 2014, Lizenz: FDL 1.2) mit eingefügter Markierung der "Römerstraße" (gelb)

Auszug aus:
„Agri Decumates Karte“ (Quelle: Wikimedia 1. Mai 2014, Lizenz: FDL 1.2)
mit von mir eingefügter Markierung der betrachteten „Römerstraße“ (gelb)

Vielleicht ist ja auch beides richtig.

Auf dem Weg von Osten her zur Villa habe ich nur geschotterte, moderne Waldwege vorgefunden. Direkt bei der Villa nach Norden durchs Wiesenbacher Tal nach Neckargemünd hin ist der Weg hingegen gesäumt von zahlreichen behauenen Sandsteinen, die von der Größe (15-25 Zentimeter) wie große Pflastersteine anmuten. Mir scheint, dass die Straße für den Abtransport von Gütern ins Neckartal für Fuhrwerke geeignet gepflastert wurde, nicht jedoch für deren Weitertransport nach Osten.

Insgesamt scheint das System des neueren Limes nicht gut funktioniert zu haben. Ab ca. 234 n.Chr. kam es zu „Alamannenstürmen“, von denen auch die Villa heimgesucht wurde. Bei der Villa sind keine Spuren gewaltsamer Auseinandersetzung gefunden worden, vermutlich wurde sie schrittweise geräumt. Schließlich brach der wegen der immensen Kosten und Truppenbedarf in anderen Regionen schlechter bemannte und ausgestattete militärische Schutz der Region zusammen.  Die Römer zogen sich auf linksrheinisches Gebiet zurück. Das Kastell Osterburken wurde vermutlich zwischen 250 und 260 n.Chr. gewaltsam zerstört.

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